Die BIRKAN-Saga.
Episode 3: Kriegsjahre und Neubeginn (1939 - 1950)
Der Zweite Weltkrieg zerstörte beinahe die Substanz des Unternehmens. Im Juli 1944 mussten Birkner & Kandlbinder ihre Kunden davon in Kenntnis setzen, dass sowohl ihre Firmenräume als auch ihre Privatwohnung mitsamt allen Lager- und Kellerräumen bei schweren Bombenangriffen zerstört worden waren. Nicht nur die Ware, auch alle Unterlagen waren verloren. Man bat um Mitteilung über noch offene Aufträge und um Geduld, bis der restlos verbrannte Lagerbestand wieder ersetzt sei (siehe Brief unten).
Auch die Behelfsunterkunft in der Münchner Blutenburgstraße, von wo dieses Schreiben versandt worden war, wurde wenige Monate später ausgebombt. Von der Maxvorstadt flüchtete man sich in den Stadtteil Haidhausen, wo in den Folgejahren mindestens drei Adressen nachgewiesen sind. Doch der Geschäftsbetrieb wurde – wenn auch mühsam – aufrechterhalten, selbst in halb zerstörten Räumen oder feuchten Kellern, wie sich Verwandte noch Jahre später erinnerten. Allerdings standen mit dem Papiermangel der späten Kriegszeit auch viele Druckmaschinen still. Um zu überleben, fertigte Maria, die Frau Alois Kandlbinders, an der Nähmaschine eigenhändig Handtaschen und Schürzen aus Gummituchmaterial, die sich gegen Lebensmittel eintauschen ließen.
Nach Kriegsende waren die Probleme noch lange nicht vorbei. Zunächst benötigte man eine Genehmigung der amerikanischen Militärregierung, um den Betrieb fortzuführen. Schlimmer war jedoch der in allen Bereichen herrschende Mangel, bei Grundnahrungsmitteln ebenso wie bei jeder Art von Materialien (siehe hierzu auch den Brief Alois Kandlbinders an einen befreundeten Händler). Der Warenverkehr war von Seiten der Besatzer zunächst stark eingeschränkt und die Materialbeschaffung schwierig. Viele Nachweise und Stempel waren nötig, um Kunden, besonders in einer anderen Besatzungszone, beliefern zu dürfen. Zeitungsdruckereien mussten erst in Form von “Dringlichkeits-Bescheinigungen” darlegen, dass sie ohne BIRKAN-Drucktücher nicht in der Lage seien zu publizieren.
Seinen 70. Geburtstag feierte Alois Kandlbinder im Jahr der Währungsreform, 1948 – danach ging es langsam wieder aufwärts. So dachte er noch nicht ans Aufhören. Zu dritt (gemeinsam mit seiner Frau Maria und Ferdinand Birkner) bauten sie die Firma wieder auf, knüpften auch wieder Geschäftsbeziehungen mit dem Ausland und bemühten sich um Rückkehr zu Qualität und Liefersicherheit.
So ähnlich sahen nach dem Krieg viele Häuser in Münchens Innenstadt aus (hier ein Bild aus Schwabing; Quelle: Wikimedia). Vermutlich auch das Gebäude in der Gabelsbergerstraße 53 im schönen Viertel Maxvorstadt, Sitz der Birkner & Kandlbinder oHG bis Juli 1944.
Kurze Pause vom Krieg: Maria und Alois Kandlbinder 1942, irgendwo in Oberbayern.
Wegen “Feindeinwirkung” auf das Münchner Postamt war der Scheck eines österreischischen Kunden nicht zustellbar (1945).
Juli 1944: Die Kunden werden über die vollständige Zerstörung der Firmenräume informiert.
"Gemüse sehen wir überhaupt nicht..."
Eine unvorstellbare Lebensmittelknappheit beherrschte die Nachkriegsjahre. Kandlbinder widerlegt in diesem Schreiben Gerüchte, wonach es den Bayern besser ginge als den übrigen Deutschen (1947).
Not macht erfinderisch: Schicke Taschen aus Gummituch-Material
Dringlichkeitsbescheinigung der Druckerei Görres (1946)
Dringende Bestellung mit Stempel der amerikanischen Information Control Division (1946)
Zwischen den Besatzungszonen sollte kein Ungleichgewicht entstehen. Wareneinfuhren wurden häufig nur genehmigt bei Nachweis einer Rohmaterialausfuhr in ähnlicher Menge (1946)
Für diese Bestellung musste die Druckerei das Rohmaterial selbst organisieren... (1946)
Auch die Main-Post durfte erst nach Vorlage einer Dringlichkeitsbescheinigung beliefert werden (1946)